Da ist noch viel Luft nach oben. Denn das Forschungszulagen-Gesetz kennen viele Unternehmen noch nicht oder man hat es als uninteressant oder zu kompliziert zur Akte gelegt. Deshalb möchte ich eines zum Verständnis vorausschicken: Das Forschungszulagen-Gesetz fasst den Begriff „Forschung“ sehr weit und ermöglicht so auch die Förderung von Entwicklungstätigkeiten, die viele Unternehmen als „Tagesgeschäft“ ansehen. So wird auch häufig die routinemäßige eigenbetriebliche Entwicklung, die zu einem neuen oder verbesserten Produkt oder Prozess führt, gefördert. Es ist also für viele Unternehmen durchaus lohnenswert, sich mit der Forschungszulage näher auseinanderzusetzen.
„Die Forschungszulage ist jetzt viel attraktiver, denn wer einen Auftrag hat, macht nicht Auftragsforschung. Die Definition der Auftragsforschung hängt nicht davon ab, ob es einen zahlenden Abnehmer für das Ergebnis der eigenen Entwicklungstätigkeit gibt.“
Dr. Markus Busuttil, Busuttil & Company
Nun hat das Bundesfinanzministerium am 11. November 2021 ein über 70-seitiges Schreiben veröffentlicht, das das Gesetz in wichtigen Punkten präzisiert. Sie sind bundesweit einer der führenden Spezialisten rund um die Forschungszulage. Wie ordnen Sie das Schreiben ein?
In der Tat enthält dieses Schreiben wesentliche Klarstellungen zum Gesetzestext und bringt für viele Unternehmen erhebliche Verbesserungen mit sich: Es erhöht die Rechtssicherheit bei vielen bisher unklar gebliebenen Punkten und macht die Forschungszulage zu einer lukrativen Förderung: Bis zu 1 Million Euro lassen sich pro Jahr rückwirkend aus diesem Förder-Topf generieren.
Können Sie ein Beispiel herausgreifen für die Präzisierung, die das BMF-Schreiben bietet?
Ja. Der Begriff „Auftragsforschung“ ist jetzt inhaltlich klarer definiert. Bis dato herrschte die Auffassung vor, dass eigenbetriebliche Ingenieursarbeit, die für die Entwicklung – zum Beispiel – einer Maschine erforderlich ist, nicht förderfähig ist, sofern diese von einem Dritten in Auftrag gegeben worden ist. Die Begründung hierfür war, dass die Entwicklungsarbeit ja bereits vom Auftraggeber direkt oder indirekt durch den Kauf dieser Maschine entgolten wird. Dankenswerterweise liefert das BMF-Schreiben nun eine Lesart, von dem viele Unternehmen profitieren. Danach ist einen Auftrag zu haben nicht gleichzusetzten mit der Durchführung von Auftragsforschung. Die Definition der „Auftragsforschung“ hängt nicht davon ab, ob es einen zahlenden Abnehmer für das Ergebnis der Entwicklungstätigkeit gibt. Entscheidend ist vielmehr das Risiko des Scheiterns, das ja im Rahmen von Entwicklungsaktivitäten immer gegeben ist. Liegt dieses Risiko beim Auftragnehmer, sind seine Aktivitäten förderfähig im Sinne des Forschungszulagen-Gesetzes. Liegt dieses Risiko aber beim Auftraggeber, indem er nicht die Maschine beauftragt, sondern die Entwicklungsaktivitäten finanziert und damit auch Rechte an den Forschungsresultaten erwirbt, kann dieser die Forschungszulage in Anspruch nehmen.
Welche Konsequenzen hat diese Klarstellung für Unternehmen, die im Rahmen ihrer Produktfertigung Entwicklungsarbeit leisten?
Die mangelnde Klarheit im Hinblick auf die Definition der Auftragsforschung machte die Forschungszulage vor allem für Unternehmen in der Automotive Industrie oder aus dem Maschinenbau uninteressant, da sie in der Regel ihre Entwicklungsarbeit im Rahmen eines Auftrages durchführen. In der Automotive Industrie wird der Aufwand für die Entwicklung häufig auf die Serie umgelegt, während im Maschinenbau oft nur eine Maschine entwickelt wird, für die ein Auftrag im Rahmen eines Kaufvertrags vorliegt. Bisher war nicht klar, ob solche Fälle auch als Auftragsforschung gesehen werden. Wir haben auf diese Definitionslücke bereits am 10. Dezember 2020 aufmerksam gemacht und sind froh, dass das BMF mit seinem Schreiben unserer Logik gefolgt ist. Das ist ein enormer Fortschritt, weil nun sehr viele Projekte förderfähig sind, bei denen dies im letztenhr noch unklar war. Wichtig bei allem ist allerdings, dass die Verträge einer eingehenden juristischen und technischen Prüfung bedürfen, um zu klären, wer nun Forschungszulagen-berechtigt ist: der Auftraggeber oder der Auftragnehmer.
Wie sieht es denn mit den so genannten verbundenen Unternehmen aus, also mit Unternehmen, die einen Unternehmensverbund eingebettet sind? Auch diese erhalten ja in der Regel von der Konzernmutter finanzielle Mittel für ihre Entwicklungsaktivitäten. Ist das noch Auftragsforschung oder können solche Unternehmen von der Forschungszulage profitieren?
Die geschilderten Unklarheiten rund um die Auftragsforschung haben auch zu Unsicherheiten bei verbundenen Unternehmen geführt. Es war unklar, ob diese Unternehmen berechtigt sind, die Forschungszulage zu beantragen, wenn sie bereits im Rahmen von so genannten Re-Charge- oder Cost-plus-Models von der Konzernmutter finanzielle Mittel für ihre F&E-Aktivitäten erhalten. Das hat das BMF-Schreiben eindeutig geklärt: Ja, solche verbundenen Unternehmen können Forschungszulage beantragen, weil die Kostenübernahme seitens einer Konzernmutter nicht zwangsläufig eine Auftragsforschung darstellen muss.
Projekte zur Produktentwicklung haben ja einen langen Vorlauf, der mehrere Jahre dauern kann. Wie sieht es denn mit Projekten aus, die schon vor Inkrafttreten des Gesetzes begonnen haben, aber zurzeit immer noch laufen?
Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Das Forschungszulagen-Gesetz wurde zum 1.1.2020 eingeführt. Und man hat dort gesagt, dass Projekte, die vorher begonnen haben, nicht förderwürdig sind. Nun ist es in der Regel so, dass ein Entwicklungsprojekt aus mehreren Unterprojekten bestehen kann. Zum Beispiel besteht die Entwicklung eines neuen Flugzeuges nicht nur aus der Entwicklung der Struktur, sondern aus der Entwicklung der Turbine, des Fahrwerks etc. Gleiches gilt für ein Auto oder für komplexe Anlagen. Mit anderen Worten: Ein solches Projekt erfordert einen gewissen Vorlauf, und hier war es immer eine offene Frage, ob man diese Aktivitäten als Teilprojekte beantragen kann, die dann in 2020 begonnen wurden. Hier hat das BMF-Schreiben ebenfalls Klarheit geschaffen und festgelegt, dass auch Teilprojekte, die in 2020 begonnen wurden, auch dann förderwürdig sind, wenn sie mit Tätigkeiten verbunden sind, die vor 2020 begonnen haben. Auch diese Festlegungen sind positiv, da sie nternehmen in die Lage versetzen, auch jetzt noch weitere Fördergelder aus der Forschungszulage zu generieren.
Welche bindende Wirkung hat denn das Schreiben gegenüber dem Gesetzestext?
Ein solches Schreiben ist eine verwaltungstechnische Anordnung an die nachgeordneten Behörden und hat für diese eine hohe bindende Wirkung. Deshalb bietet das BMF-Schreiben vom 11. November eine hohe Rechtssicherheit und ist deshalb ein wichtiger Meilenstein. Durch die Präzisierungen kommen wesentlich mehr Projekte und Unternehmen in den „Radar“ des Forschungszulagen-Gesetzes. Es macht die Forschungszulage durch die klare Abgrenzung, welche Aktivitäten aus 2019 noch in seinen Anwendungsbereich fallen, und durch die explizite Definition des Begriffs „Auftragsforschung“ zu einer sehr lukrativen Förderung der eigenen betrieblichen Entwicklungsaktivitäten. Allerdings kommt es hierbei darauf an, alle Aktivitäten entsprechend dem Gesetz zu identifizieren und zu beantragen.
Dr. Markus Busuttil
Dr. Markus Busuttil ist Gründer und Geschäftsführer von Busuttil & Company. Er hat über 8 Jahre Erfahrung in der Beratung zur steuerlichen Forschungsförderung in Großbritannien bei Deloitte gesammelt und unterstützte Mandanten aus der Industrie sowie multinationale Gruppen und Private Equity Funds. Markus Busuttil studierte Maschinenbau in Hannover und Wales. Nach erfolgreichem Studienabschluss folgte die Promotion an einem kollaborativem Forschungszentrum zwischen der University of Birmingham und der Firma Rolls-Royce. Heute konzentriert sich sein Team aus Ingenieuren, Projektmanagern und Betriebswirten darauf, Kunden bei der Beantragung der Forschungszulage zu unterstützen.
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