Die Steuerskandale rund um die Panama Papers oder Cum-Ex-Geschäfte haben die EU und die OECD auf den Plan gerufen. Künftig gilt daher eine Meldepflicht für potenziell aggressive, grenzüberschreitende Steuergestaltungen. Sie sollen frühzeitig erkannt und unterbunden werden.

Bereits zum 25. Juni 2018 trat die geänderte EU-Richtlinie 2011/16/EU zur Meldung aggressiver Steuergestaltungen in Kraft. EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, diese Richtlinie bis zum 31. Dezember 2019 in nationales Recht umzusetzen. Als einziges EU-Land hat bislang Polen die Meldepflicht seit Anfang 2019 umgesetzt. Weitere Länder folgen Anfang 2020.

Und Deutschland? Hier liegt gerade erst der Regierungsentwurf vor. Die Meldepflicht erfolgt spätestens zum 1. Juli 2020, wobei bereits Steuergestaltungen mitgeteilt werden müssen, mit deren Umsetzung ab dem 25. Juni 2018 begonnen wurde. Art, Umfang und Inhalt der Mitteilungspflicht in Deutschland sind in der Abgabenordnung geregelt. Von der Mitteilungspflicht betroffen sind sämtliche Steuerarten, außer die ausdrücklich ausgenommene Umsatzsteuer, die harmonisierten Verbrauchsteuern, Zölle und Sozialversicherungsabgaben.

Was zu melden ist

Eine mitteilungspflichtige Gestaltung liegt immer dann vor, wenn ein EU-Mitgliedsstaat und ein weiterer Staat betroffen sind und eines der im Gesetz vorgesehenen Kennzeichen (englisch: Hallmarks) erfüllt ist. Insgesamt sind 15 Kennzeichen – dazu gehören beispielsweise Vertraulichkeitsklauseln oder Erfolgsvereinbarungen – vorgesehen, die entweder für sich allein oder im Zusammenhang mit dem „Main-Benefit-Test“ (Relevanztest) eine Mitteilungspflicht auslösen. Der Main-Benefit-Test gilt als erfüllt, wenn der Nutzer der Gestaltung als deren Hauptvorteil einen Steuervorteil erwarten kann.

Wer die Steuergestaltung melden muss

Mitteilungspflichtig ist primär der Intermediär, der die grenzüberschreitende Steuergestaltung vermarktet, für Dritte konzipiert, organisiert, zur Nutzung bereitstellt oder die Umsetzung für Dritte verwaltet. Das werden in erster Linie Steuerberater, Rechtsanwälte oder Banken sein. Aber auch jede andere Person kann meldepflichtig sein, die an einer Gestaltung beteiligt ist, da die Intermediärseigenschaft bewusst nicht an eine Berufsgruppe oder Qualifikation gekoppelt ist. Bei berufsrechtlicher Verschwiegenheitspflicht kann die Mitteilungspflicht auf den Steuerpflichtigen oder den Nutzer übergehen. Ist kein Intermediär eingeschaltet, liegt die Mitteilungspflicht beim Nutzer der Gestaltung.

„Eine echte Herausforderung in der Praxis wird die Abstimmung sein, wenn mehrere Intermediäre und/oder Steuerpflichtige in mehreren Ländern von der Mitteilungspflicht betroffen sind, vor allem vor dem Hintergrund der kurzen Fristen“, sagt Ecovis-Steuerberater Daniel Frischkorn in Berlin. Wer nicht, zu wenig oder zu spät meldet, hat mit einer Strafe zu rechnen. Denn die EU-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, Sanktionen einzuführen, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind. „In Deutschland ist eine Pflichtverletzung in diesem Zusammenhang eine Ordnungswidrigkeit. Sie kann mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro geahndet werden und sie kann auch mehrfach verhängt werden“, erklärt Frischkorn.

So läuft das Meldeverfahren

Die Mitteilung hat nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) mit den Personendaten des Steuerpflichtigen oder Nutzers, seiner verbundenen Unternehmen und des Intermediärs zu erfolgen. Zudem ist eine Beschreibung der Gestaltung unter Angabe des Werts der Gestaltung zu liefern. Alle gemeldeten Informationen werden in einem zentralen Verzeichnis zusammengeführt. Auf dieses haben sämtliche EU-Mitgliedsstaaten Zugriff. Damit können auch nicht betroffene Mitgliedsstaaten alle Details einer Meldung einsehen. Bei marktfähigen Gestaltungen, deren Umsetzung keine individuelle Anpassung erfordert, hat ein Melde-Update nach Ablauf des Quartals zu erfolgen, in dem eine Änderung eintritt. Wird eine Gestaltung über mehrere Jahre genutzt, ist darüber hinaus in der Steuererklärung die vom BZSt vergebene Registriernummer anzugeben. „Unternehmen sind verpflichtet, die mitteilungspflichtige Gestaltung in der Steuererklärung unter Angabe der vom Bundeszentralamt vergebenen Registriernummer anzugeben“, sagt Frischkorn.

Inländische Steuergestaltungen

Für rein inländische Steuergestaltungen drohte eine analoge Mitteilungspflicht. Diese knüpfte prinzipiell an dieselben Merkmale an, ohne dass eine Grenzüberschreitung nötig war. Diese Regelung ist erfreulicherweise im aktuellen Regierungsentwurf nicht mehr enthalten. „Es bleibt aber abzuwarten, ob diese in einem neuen Gesetzgebungsverfahren erneut aufgegriffen wird“, erklärt Frischkorn.

Die Meldefristen für Steuergestaltungen

Für Steuergestaltungen, deren erster Umsetzungsschritt im Übergangszeitraum zwischen 25. Juni 2018 und 30. Juni 2020 erfolgt ist, ist ein einmaliger Nachmeldezeitraum von 1. Juli bis 31. August 2020 vorgesehen. Für alle Gestaltungen, die ab dem 1. Juli 2020 starten, beträgt die Meldefrist grundsätzlich nur 30 Tage.

Meldepflichtige Steuergestaltungen – zwei Beispiele

  1. Meldepflicht mit Main-Benefit-Test

Eine deutsche GmbH ist fremdfinanziert mit Darlehen des ausländischen Mutterunternehmens und bilanziell überschuldet. Zur Abwendung der Insolvenz leistet die Mutter eine Einlage zur Rückführung des Darlehens (Round Tripping). Meldepflicht besteht, soweit auch der Main-Benefit-Test erfüllt ist.

[*] Meldepflicht ohne Main-Benefit-Test

Eine Geldanlage wird von einem Konto bei einer deutschen Bank auf ein Konto in einem anderen Staat übertragen, der nicht am OECD Common Reporting Standard (CRS) teilnimmt. In diesem Fall wäre das Merkmal „Aushöhlung der Mitteilungspflicht“ erfüllt.

Daniel Frischkorn, Steuerberater bei Ecovis in Berlin

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