2013 lag der Umsatz der Boysen Gruppe erstmals bei über einer Milliarde Euro. Nur sechs Jahre später hat der Abgastechnik-Spezialist mit Stammsitz in Altensteig (Baden-Württemberg) auch die Zwei-Milliarden-Marke übertroffen. Durch den Gewinn wichtiger Großaufträge sieht Geschäftsführer Rolf Geisel „die Grundauslastung unserer Produktion bis mindestens 2028 als gesichert an“. Zudem habe die Unternehmensgruppe bereits einige Weichen gestellt, um sich auch Wachstumspotenziale abseits von Verbrennungsmotoren zu erschließen.

Ein Umsatz von 2,15 Milliarden Euro steht am Ende des Geschäftsjahres 2019 zu Buche – ein Plus von rund zwölf Prozent gegenüber 2018 (1,92 Milliarden Euro). Von 4.200 auf 4.600 – und damit um circa zehn Prozent im Vorjahresvergleich – stieg die Zahl der Mitarbeiter, die aktuell an 23 Boysen Standorten weltweit beschäftigt sind. Angaben zum Ergebnis macht das Stiftungsunternehmen nicht, jedoch „können sich unsere Mitarbeiter einmal mehr auf eine Gewinnbeteiligung freuen, die für einen Zulieferer in diesen Zeiten noch beachtlich ist“.

Nach der Vorstellung der Zahlen richtete Geisel den Blick zunächst zurück: „2009 hatten wir das vorletzte Jahrzehnt mit einem Umsatz von 641 Millionen Euro und 1.680 Beschäftigten abgeschlossen. Ausgehend davon haben wir bis heute beim Umsatz um über 330 Prozent und bei den Beschäftigten um 270 Prozent zugelegt. Dementsprechend stark ist die Basis, auf der wir jetzt wieder in ein neues Jahrzehnt starten.“

Positiv fällt damit auch der Ausblick des Geschäftsführers aus: „Für 2020 planen wir mit 2,4 und für 2021 schließlich mit über 2,6 Milliarden Euro, wobei wir in diesen zwei Jahren rund 500 weitere neue Arbeitsplätze schaffen werden. Auch dieses Wachstum wird ausschließlich aus unserem Kerngeschäft Abgastechnik resultieren. Die entsprechenden Aufträge haben wir bereits im Haus.“

Allerdings macht Rolf Geisel keinen Hehl daraus, dass „die Bieterkämpfe nahezu im Monatstakt härter werden“. Durch den Technologiewandel müssten die Automobilhersteller mehr denn je investieren, allem voran in die E-Mobilität sowie in autonomes und vernetztes Fahren. „Gleichzeitig soll die Rendite gehalten werden, womit der Preisdruck auf uns Zulieferer massiv erhöht wird“, so Geisel, der ergänzt: „Ohne Preisreduzierungen auf das laufende Geschäft ist nichts mehr zu gewinnen. Hinzu kommt, dass unsere Angebote nur noch angenommen werden, wenn wir mit Produktionslöhnen in Billiglohnländern kalkulieren.“

Die Boysen Gruppe – mit sieben Fertigungsstandorten in Deutschland – habe sich lange erfolgreich gegen diesen Trend gestemmt, müsse nunmehr aber mitziehen. Aus diesem Grund entsteht aktuell im nordserbischen Subotica mit 38.000 Quadratmetern Produktionsfläche das bislang größte Auslandswerk der Unternehmensgruppe. Der Produktionsstart ist für Herbst dieses Jahres geplant. Das Investitionsvolumen beziffert Geisel auf 70 Millionen Euro. Bereits in Planung sei zudem ein weiterer Standort in China, wo die Boysen Gruppe mit aktuell zwei Produktionswerken „einen beachtlichen Anteil unseres Gesamtergebnisses erwirtschaftet“.

Auch aufgrund solcher Auswirkungen warnt Geisel davor, „den Erfolg der Zukunft ausschließlich in der Elektromobilität zu sehen“. Generell habe jede Antriebsform – in Abhängigkeit des Einsatzzwecks – ihre Daseinsberechtigung: „Im rein innerstädtischen Verkehr spricht vieles für den Elektromotor, doch bei einem schweren Lkw wird der E-Antrieb nicht funktionieren, womit hier die Themen Wasserstoff und Brennstoffzelle wieder an Gewicht gewinnen. Dazwischen sind der Hybrid sowie der moderne Dieselantrieb, der auch weit weniger CO2 ausstößt als ein Benziner, die ideale Brückentechnologie. Deshalb brauchen wir in Deutschland keinen Hype um rein elektrische Fahrzeuge, sondern eine Technologieoffenheit für die jeweils beste Lösung.“

Derweil zeige die bisherige Entwicklung, dass es noch einige Jahre dauern werde, bis E-Antriebe den Markt dominieren. „Wir bei Boysen gehen davon aus, dass 2035 rund 100 Millionen Neufahrzeuge gefertigt werden, wobei rund 40 Prozent auf Hybrid- und reine E-Fahrzeuge entfallen werden, während die übrigen 60 Prozent immer noch rein von Verbrennungsmotoren angetrieben werden. Folglich haben wir auch in den nächsten 15 Jahren noch viele wichtige Aufgaben zu meistern. Und das ist ein gewichtiger Grund, dass wir weiterhin mit vollem Einsatz und aller Leidenschaft an unserer Vision ‚Null Emissionen mit Boysen Abgastechnik‘ arbeiten, was am Beispiel synthetischer Kraftstoffe alles andere als eine Utopie ist. Das heißt, weiterhin volle Konzentration auf unser Kerngeschäft.“

Parallel dazu richte die Boysen Gruppe ihren Blick bereits seit einigen Jahren auch auf neue Betätigungsfelder, „in denen wir unsere vielfältigen Kompetenzen erfolgreich einsetzen können“. Ein Baustein dieser Transferstrategie seien neue Produktgruppen wie Batteriegehäuse, Edelstahltanks oder Rahmenkonstruktionen, mit denen die Unternehmensgruppe versuche, sinkende Verbrenneranteile auszugleichen. Dieser Ansatz wurde erst jüngst mit dem ersten Erfolg gekrönt: Vor wenigen Tagen erhielt Boysen von einem Automobilhersteller den Auftrag zur Fertigung von Aggregaterahmen für ein neues E-Fahrzeug.

Gute Aussichten auch beim Kunden BMW: Der bayerische Premiumhersteller hat Boysen Ende 2019 als einen von 30 Kernlieferanten in sein „360°-Programm“ aufgenommen. Durch kontinuierliche Zusammenarbeit an strategischen und operativen Themen wollen beide Partner einen wesentlichen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit ihrer Unternehmen leisten. Unter anderem versucht BMW, die Umsätze, die für Boysen bei der Abgastechnik künftig wegfallen, mit Aufträgen für neue Produktgruppen auszugleichen.

Im Rahmen ihrer Zukunftsstrategie setzt die Boysen Gruppe ebenso auf völlig neue Geschäftsfelder. Mit der Beteiligung an dem Dortmunder Redox-Flow-Batteriehersteller Volterion belege man seit August 2019 das vielversprechende Zukunftsfeld der stationären Energiespeicher. Ebenso vielversprechend ist für Geisel die Zusammenarbeit mit der Firma CENmat aus Waldenbuch bezüglich der Entwicklung von Katalysatoren für Direkt-Ethanol-Brennstoffzellen: „Erste Patente, die aus der Kooperation resultieren, wurden bereits angemeldet.“

Darüber hinaus plane Boysen künftig den Bau von stationären Feinfilteranlagen und beschäftige sich intensiv mit der Herstellung von Brennstoffzellen sowie der energiesparenden Herstellung von Wasserstoff. Überhaupt kommt Geisel beim Thema Energietechnik ins Schwärmen: „Dass hier die Lösungen sind, die wir in Zukunft brauchen, haben wir bereits vor über 20 Jahren erkannt. Seither setzen wir an allen Boysen Standorten auf hochmoderne Energietechnologien: von Photovoltaik, über Blockheizkraftwerke und Geothermie, bis hin zum getakteten Eisspeicher. Damit sind wir aktuell in der Lage, rund 80 Prozent unseres Energiebedarfs in Eigenleistung abzudecken.“

Über die Friedrich Boysen GmbH & Co KG

Kerngeschäft der Boysen Gruppe mit Stammsitz in Altensteig (Baden-Württemberg) ist die Entwicklung und Fertigung hochleistungsfähiger Abgassysteme und -komponenten für Pkw, Nutzfahrzeuge und Off-Highway-Anwendungen. Neben den drei Hauptkunden Audi, BMW und Mercedes-Benz arbeitet der Abgastechnik-Spezialist für die deutschen Automobilhersteller Volkswagen und Porsche, die englischen Marken Bentley und Rolls-Royce, die Nutzfahrzeughersteller Daimler und MAN sowie im Bereich Off-Highway-Anwendungen für Krauss Maffei, mtu, Voith u.a.

Im Zuge des technologischen Wandels innerhalb der Automobilindustrie setzt Boysen neben innovativen Abgastechnologien auch auf neue Produktgruppen, die in allen Fahrzeugen – unabhängig der Antriebsart – zum Einsatz kommen können. Einen weiteren wichtigen Baustein seiner Zukunftsstrategie sieht das Stiftungsunternehmen im Bereich der Energietechnik, wobei vor allem Themen wie Wasserstoff, Brennstoffzellen sowie stationäre Energiespeicher im Fokus stehen.

Die Boysen Gruppe beschäftigt aktuell rund 4.600 Mitarbeiter an 23 Standorten im In- und Ausland. Neben den Entwicklungsstandorten in Altensteig und Nagold verfügt Boysen über Produktionsstandorte in Altensteig, Simmersfeld, Heubach, Salching, Ingolstadt, Plauen und Achim sowie in Frankreich, Ägypten, Südafrika, Indien, China, Mexiko, Serbien und in den USA.

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