Mit Abgasmessungen vom Strassenrand aus konnte ein Team der University of York und der Empa beweisen: Der "Dieselgate"-Skandal hat positive Ergebnisse gebracht. Die erzwungene Nachrüstung tausender VW-Dieselmotoren erspart der Umwelt in ganz Europa erhebliche Mengen an Stickoxiden (NOx).

Der Dieselskandal begann am 18. September 2015 mit einem Paukenschlag. Genau am Eröffnungstag der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt veröffentlichte die US-Umweltschutzbehörde EPA ihre "Notice of Violation": In VW-Dieselmotoren mit 1.6 und 2.0 Litern Hubraum (Typbezeichnung EA 189) sei eine illegale Software zur Manipulation von Abgaswerten verbaut. Schnell wurde klar: Rund 11 Millionen Fahrzeuge des VW-Konzerns waren weltweit betroffen. In der Folge trat Konzernchef Martin Winterkorn zurück, teure Schadenersatzklagen folgten. In vielen Ländern mussten die EA 189-Motoren des VW-Konzerns mittels Software- oder Hardware-Update nachgerüstet werden.

Nun – knapp fünf Jahre danach – zeigt eine Untersuchung der University of York und der Empa: Die Nachrüstung war unter Umwelt-Gesichtspunkten erfolgreich. Nachgerüstete VW-Dieselmotoren stossen im Alltag bis zu ein Drittel weniger gesundheitsschädliche Stickoxide aus als vor der Umrüstung.

Abgasmessung vom Strassenrand aus

Stuart Grange arbeitet in der Abteilung Luftfremdstoffe/Umwelttechnik der Empa und zugleich in den Wolfson Atmospheric Chemistry Laboratories der University of York. Gemeinsam mit seinen Kollegen untersuchte er in England mit einem Spezial-Messgerät die Abgasfahnen von rund 23 000 vorbeifahrenden Autos und analysierte den Gehalt an NOx und CO2. Die Messungen fanden zwischen Mai 2012 und April 2018 statt – also in der Zeit vor und nach dem Abgasskandal.

Bei jeder Messung wurde auch das Kennzeichen des Fahrzeugs registriert und die Fahrzeugdaten aus der britischen Zulassungsdatenbank MVRIS ("Motor Vehicle Registration Information System") abgerufen. Unter den 23 000 gemessenen Abgasfahnen fand Grange 4053 Mal die Emissionen des VW-Dieselmotors EA 189. Dies bildete die Basis für die Analyse, die Ende April 2020 im Fachblatt "Environmental Science & Technology Letters" der "American Chemical Society" publiziert wurde.

Deutliche Verbesserung

Die Messergebnisse zeigen einen deutlichen Effekt: Die NOx-Emissionen der 1.6-Liter-Motoren der EA 189 Baureihe gingen um mehr als 36 Prozent zurück. Für diesen Motor hatte VW eine Software- und Hardware-Nachrüstung angeboten; zusätzlich zum Software-Update wurde im Ansaugtrakt des Motors ein kleines Zusatzbauteil montiert, das den Luftmassensensor exakter arbeiten liess.

Beim grösseren 2.0-Liter Motor der Baureihe EA 189 wurde nur die Software nachgebessert. Hier sanken die gemessenen NOx-Emissionen im Durchschnitt um knapp 22 Prozent. Die Verbesserungen bei jedem einzelnen Fahrzeug waren sogar noch grösser: In Grossbritannien waren die Nachrüstungen der Motoren freiwillig und wurden nur von rund 70 Prozent der VW-Besitzer in Anspruch genommen. Es fuhren also auch eine gewisse Anzahl nicht nachgerüsteter Diesel am Messgerät vorbei und verschlechterten damit den Durchschnittswert.

Bei den Nutzfahrzeugen mit EA 189-Motor – also VW Caddy und VW Transporter – fielen die Ergebnisse weniger eindrücklich aus. Beim 1.6-Liter Diesel waren die NOx-Werte nur um 22 Prozent besser (verglichen mit 36 Prozent bei Personenwagen), beim 2.0-Liter Diesel fielen die Ergebnisse gar um 53 Prozent schlechter aus als zuvor. Die Forscher vermuten, dass deutlich weniger Nutzfahrzeug-Betreiber die freiwillige Nachrüstung hatten vornehmen lassen und daher ein höherer Anteil Fahrzeuge mit alter Software durch die Messstationen fuhr.

In der Schweiz war die Umrüstung des EA 189-Motoren verpflichtend vorgeschrieben. Nach Angaben von Amag-Unternehmenssprecher Dino Graf sind inzwischen alle Fahrzeuge – sowohl Nutzfahrzeuge als auch PW – umgerüstet.

Musterknaben und Dreckschleudern

Stuart Grange und seine Kollegen nahmen zum Vergleich auch die Abgasfahnen anderer Fahrzeuge unter die Lupe, die nicht nachgerüstet werden mussten. Dabei spielt die Aussentemperatur eine grosse Rolle: Die Messungen vor dem Dieselskandal waren bei durchschnittlich 20 Grad Celsius gemacht worden, die Messungen nach dem Dieselskandal bei durchschnittlich 11 Grad Celsius. Bereits in früheren Untersuchungen hatten die Forscher an kalten Tagen dramatisch höhere NOx-Emissionen bei Dieselautos festgestellt. Dieser Effekt tauchte nun wieder auf – allerdings nicht bei allen Herstellern.

Autos von General Motors (Opel, Vauxhall, Chevrolet), Renault-Nissan und Fiat Chrysler stiessen an kalten Tagen fast doppelt so viel NOx aus als an warmen. Auch der 3.0-Liter Dieselmotor von VW hatte um 55 Prozent höhere NOx-Werte. Doch es geht auch anders, wie die Fahrzeuge der BMW Group (BMW, Mini), Autos von Volvo und PSA (Peugeot, Citroën) und die Wagen der indischen Billigmarke Tata zeigten: Sie hatten an kalten Tagen keinen höheren NOx-Ausstoss. Die Motorsteuerung war offenbar sorgfältiger programmiert.

Was passiert, wenn sich Ingenieure richtig Mühe geben dürfen, zeigte sich bei VW. Nach dem Dieselskandal und dem Software-Update waren die NOx-Werte eindeutig besser, obwohl sogar bei deutlich kühlerem Wetter gemessen wurde.

Alle Fahrzeuge nachrüsten lassen

Die Forscher geben den Zulassungs- und Umweltbehörden einen eindeutigen Tipp: Noch immer werden in vielen Städten Europas die NOx-Grenzwerte überschritten. Doch je nach Land sind nur zwischen 30 und 90 Prozent der Dieselgate-Motoren nachgerüstet worden. Da Fahrzeuge des VW-Konzerns weit verbreitet sind könnte eine verpflichtende Nachrüstung sicher noch Verbesserungen bei den NOx-Emissionen bringen.

An anderer Stelle hat der Gesetzgeber bereits nachgeschärft: Fahrzeuge von heute müssen den strengeren WLTP-Abgastest bestehen. Die Abgase werden im Labor bei 23 und bei 14 Grad Celsius gemessen, bei Messfahrten auf der Strasse sind Aussentemperaturen bis zu -7 Grad erlaubt. Ein Auto, das im Winter deutlich mehr NOx ausstösst, bekäme also heute keine EU-Zulassung mehr.

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