Unter dem Aspekt, dass wir auch in Zukunft in lebenswerten urbanen Gebieten wohnen wollen, kommt der Erhaltung des natürlichen Wasserhaushaltes eine besondere Bedeutung zu. Der natürliche Wasserhaushalt weist i.d.R Verdunstungsanteile von Regenwasser von mehr als 50% des Jahresniederschlags auf. Dieser Verdunstungsanteil bindet eine extrem hohe Menge an Energie in Form von latenter Wärme im Verdunstungsvorgang und transportiert diese Energie in höhere Atmosphärsschichten. Die gebundene Energie in Form von Wärme ist damit aus unserem Lebensraum verschwunden.

Die durch die Versiegelung von natürlichen Flächen im städtischen Raum entstandenen urbanen Hitzeinseln werden durch diese Energieabfuhr über die Verdunstung großer Regenwassermengen reduziert. Die Reduktion der urbanen Hitzeinseln führt wiederum zu weniger intensiven und weniger häufigen Niederschlagsereignissen über den Städten.

Die Erhaltung des natürlichen Wasserhaushaltes reduziert dem zu Folge sowohl urbane Hitzeinseln als auch urbane Starkniederschläge – zwei Faktoren deren Reduzierung zur Schaffung von lebenswerten urbanen Räumen entsprechend wichtig ist.

Bereits im Jahr 2006 fand deshalb die Forderung „die Veränderung des Wasserhaushaltes durch Siedlungsaktivitäten so gering zu halten, wie es ökologisch, technisch und wirtschaftlich vertretbar ist“ in das Regelwerk der DWA-A 100 Einzug.

Der Effekt dieser Zielsetzung in der DWA-A 100 auf die tatsächlichen Planungen hielt sich, aus der subjektiven Wahrnehmung der täglichen Praxis heraus, jedoch in Grenzen. Der Fokus bei Planungen bezüglich des Regenwassermanagements lag weiterhin auf der Reduzierung des Abflusses mit allen verfügbaren Methoden, ohne die Einbeziehung der Auswirkung der Planung des Regenwassermanagements auf den natürlichen Wasserhaushalt.

Möglicherweise lag die Nicht-Umsetzung der o.g. Zielsetzung in der Planungspraxis an der nicht vorhandenen Konkretisierung der Forderung und der nicht vorhandenen Methoden zur Berechnung und zum Nachweis der natürlichen Wasserbilanz eines Gebietes.

Neu: DWA-A 102 zum Erhalt der natürlichen Wasserbilanz

Dies hat sich mit dem Erscheinen der Regelwerksreihe DWA-A 102 nun geändert.

Mit dem Weißdruck der DWA-A 102-1 existiert seit Dezember 2020 ein Regelwerk welches den Erhalt der natürlichen Wasserbilanz bei Neuerschließungen und Überplanungen fordert und diese Forderungen im Entwurf der DWA-M 102-4 auch konkretisiert!

Im Entwurf der DWA-M 102-4 ist definiert wie und wo die Zielwasserbilanz, die nach der entwässerungstechnischen Neuerschließung von Siedlungsflächen und der städtebaulichen und/oder entwässerungstechnischen Überplanung von Siedlungsgebieten erreicht werden soll, entnommen werden können. Des Weiteren ist auch definiert wie die Wasserbilanz der geplanten Neuerschließung bzw. Überplanung ermittelt werden soll.

Folglich stehen den Kommunen und Planern erstmals konkrete Leitlinien zur Verfügung, an Hand derer sowohl die einzuhaltende Wasserbilanz als auch die aufgrund der gemachten Planung zu erwartende Wasserbilanz ermittelt werden kann.

Diese nun konkreten Richtlinien ermöglichen den betroffenen Parteien das Handeln auf einer gemeinsamen Basis.

Welche Folgen hat die neue Regelwerksreihe auf die Bebauung?

Bei einer stichprobenartigen Begutachtung der Zielwasserbilanzen, welche bei Neuerschließungen oder Überplanungen erreicht werden sollen, fällt auf, dass die geforderte Verdunstungsrate i.d.R. über 50% liegt. D.h. dass über 50% des Jahresniederschlags vor Ort wieder der Verdunstung zugeführt werden soll. In dicht besiedelten Regionen ist die Erreichung dieses Zielwertes durchaus eine Herausforderung. Denn zur Zielerreichung muss ein Großteil der Niederschläge, insbesondere auch aus den Wintermonaten, zurückgehalten werden um diese dann in den Frühlings- und Sommermonaten zur Verdunstung zu bringen. Entsprechende Regenwasserspeicher[1] sind im Tiefbau- und oder auf den Dachflächen notwendig.

Die Verdunstung stellt neben der Regenwasserspeicherung die nächste Herausforderung dar. So sind zur Verdunstung von Regenwasser Grünflächen notwendig, welchen das Wasser aus den Regenwasserspeichern zugeführt werden kann.

Dieses Ziel des Speicherns und Verdunstens von Regenwasser trifft nun auf bereits bestehende Anforderungen des Regenwassermanagements, dem temporären Regenwasserrückhalt zur Einhaltung von Einleitbeschränkungen und dem Überflutungsschutz.

Für diese Aufgaben sind Regenwasserrückhalteanlagen[2], wie unterirdische Rigolen oder Retentionselemente auf Dachflächen, erforderlich.

Regenwasserrückhalteanlagen speichern Regenwasser nicht dauerhaft, da sie sonst ihren Zweck des temporären Regenwasserrückhalts zur Einhaltung von Einleitbeschränkungen oder dem Rückhalt von Starkregenereignissen nicht mehr erfüllen können.

Folglich sind zum Erhalt des natürlichen Wasserhaushaltes und zur Einhaltung der Anforderungen des bestehenden Regenwassermanagements zwei verschiedene Arten von Regenwasserspeichern notwendig. Temporäre Regenwasserspeicher/Regenwasserrückhalte-anlagen und dauerhafte Regenwasserspeicher/Zisternen.

Müssen nun zusätzlich zu den bereits notwendigen Regenwasserrückhalteanlagen Regenwasserspeicher zur Erhöhung der Verdunstung geschaffen werden?

Nicht zwangsläufig. Es besteht die Möglichkeit, Regenwasserspeicher intelligent zu steuern. So dass das darin enthaltene Regenwasser so lange wie möglich zurückgehalten wird um die Verdunstung zu fördern. Des Weiteren kommt nur dann und nur so viel wie nötig Regenwasser zum Abfluss wenn ein Regenereignis bevorsteht, welches die Speicherkapazitäten des Regenwasserspeichers überschreiten würde.

Die intelligente Steuerung ist dadurch möglich, dass Pumpen und/oder Abläufe in Zisternen und auf Retentionsgründächern mit einem Server verbunden sind.  Dieser wertet kontinuierlich die Wettervorhersagedaten aus und steuert die Pumpen und/oder Abläufe entsprechend der Regenvorhersage.

Die Systemlösung von OPTIGRÜN und FRÄNKISCHE verbindet Hochbau mit Tiefbau in dem so viel Regenwasser wie möglich auf dem Grundstück in Regenwasserspeichern auf dem Dach und im Tiefbau zurückgehalten wird. Eine intelligente Vernetzung der Bauteile macht es möglich, das Regenwasser aus der Zisterne auf Basis der intelligenten Steuerung einem beliebigen Nutzen zuzuführen.

In der intelligenten Steuerung können Zielwasserbilanzen hinterlegt werden. Wenn bspw. 70% des jährlichen Niederschlags verdunstet, 30% versickert und 0% abgeleitet werden sollen wird die intelligente Steuerung die Pumpen in der Zisterne, basierend auf Wettervorhersagedaten und Simulationswerten aus der Vergangenheit, die Pumpen so steuern, dass die Zielwasserbilanz möglichst eingehalten wird. Zur Verdunstung wird dann Regenwasser von der Zisterne auf das Gründach und zur Versickerung in die Versickerungsanlage gepumpt.

Auf diese Weise lassen sich die in dichten urbanen Räumen gebauten Regenwasserspeicher und Retentionsgründächer so effizient wie möglich nutzen um die Zielvorgaben seitens der DWA-A 102 bzw. der Kommune auf wirtschaftliche Art und Weise zu erreichen.

Autor:
M.Eng. Dominik Gößner
Leiter Forschung & Entwicklung, Produktmanagement

[1] Regenwasserspeicher wird in diesem Text definiert als: Dauerhafter Speicherraum für Regenwasser welcher sich nur durch aktive Entnahme von Regenwasser entleert.

[2] Regenwasserrückhalteanlage wird in diesem Text definiert als: Speicherraum zum temporären Rückhalt von Regenwasser welcher sich selbstständig, über eine Drossel oder die Versickerung, entleert.

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