„Wenn die Perspektive beruflicher Selbstständigkeit jungen Menschen attraktiv erscheint, dann werden sie den Schritt wagen. Das müssen wir erreichen. Dann bleiben Chefsessel nie lange unbesetzt“, betont Peter Friedrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart. Die Zahlen sprechen Klartext: Über 31.000 Handwerksbetriebe waren bei der Handwerkskammer Region Stuttgart Anfang 2023 registriert. Geschätzte 5.000 dieser Firmen werden von einem Inhaber geführt, der älter ist als 60 Jahre. Für diese Unternehmerinnen und Unternehmer ist es an der Zeit, sich über die Firma Gedanken zu machen: Also Übergabe an Kinder oder Mitarbeiter, verkaufen, aufgeben? Ein ganzes Paket an Unterstützungs- und Servicemaßnahmen hat die Handwerkskammer hierfür im Angebot. Die Berater sind deshalb gefragte Anlaufstellen. Auch ein spezieller Nachfolgemoderator ist im Einsatz. Fast 300 Einzelberatungen mit älteren Betriebsinhabern kommen im Jahr zusammen – weitere 170 Beratungen fallen für das Besprechen von Existenzgründungsplänen an.

Kammerchef Friedrich zeigt die volkswirtschaftliche Bedeutung der Weiterführung von Handwerksbetrieben auf. „Das Handwerk sichert Arbeits- und Ausbildungsplätze und ist ein wichtiger Faktor für die Nahversorgung der Bevölkerung. Der Schaden ist groß, wenn in einzelnen Regionen beispielsweise Bäckereien oder Metzger mangels Nachfolger schließen müssen. Jeder weiß: Handwerksbetriebe erbringen Leistungen, die wesentlich zur Stabilität der Gesamtwirtschaft und zum Lebenskomfort beitragen. Hinzu kommt, dass in diesen Firmen in der Region Stuttgart annähernd 50.000 Mitarbeiter beschäftigt sind.“ Um den demografischen Wandel zu meistern, seien Mittelstand und Handwerk zukünftig mehr denn je auf innovative und kreative Unternehmer angewiesen. „Wir brauchen diese dynamischen und entschlossenen jungen Menschen mit guten Ideen. Erfolgreiche Betriebsübernahmen erhalten nicht nur Arbeitsplätze, sondern schaffen oft neue und generieren höhere Steuereinnahmen. Sie verhelfen der Wirtschaft zu einer besseren Dynamik, beschleunigen die notwendigen strukturellen Anpassungsprozesse und führen nicht selten zu neuen, innovativen Produkten und Leistungen, die für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft von hoher Bedeutung sind.“

Meister als solide Qualifikation

Peter Friedrich weiß: „Das Gründen wie auch die Übernahme eines Betriebes gehören zur DNA des Handwerks. Selbstständig zu sein, ist für viele Handwerker Teil ihres Selbstverständnisses. Deshalb absolvieren auch viele junge Handwerker die Meisterprüfung, um die maßgeschneiderte Qualifikation mitzubringen.“ Doch werden in den letzten Jahren auch im Handwerk Gründungen vor allem in den meisterpflichtigen Berufen immer schwieriger und komplexer. „Wenn wir aber weniger Betriebsgründer und weniger Nachfolger haben, schwächt das die Wirtschaftskraft.“

Beim Thema Betriebsnachfolge handelt es sich nicht um ein branchenspezifisches Thema. Es geht vielmehr um einen ganz normalen Generationenwechsel, der sich von A wie Augenoptiker bis Z wie Zimmerer-Handwerk durchzieht. Betriebsübergaben laufen dort zielführend und problemlos, wo das Thema frühzeitig erkannt und angegangen wird, so die Erfahrung der Betriebswirtschaftlichen Berater bei der Stuttgarter Handwerkskammer. Die übergabebereiten Unternehmer informieren sich rechtzeitig, stellen die Weichen in der Familie, im Betrieb oder strecken die Fühler nach externen Übernehmern aus und gehen das Thema aktiv an. Die Informationsphase mündet dann in die Beratungsphase. Ganz wichtig ist dann die Entscheidungsphase. Involviert sind Berater, Banken, der Steuerberater, vielleicht ein Rechtsanwalt oder ein Notar – und nicht selten von Anfang an die Belegschaft. Eine sinnvolle Transparenz gibt den Beschäftigten die Sicherheit, dass es weitergeht.

Ein wirtschaftlich gesunder Betrieb mit Renditeaussichten, einem Kundenstamm und einer funktionierenden Belegschaft wird in der Regel eine für beide Seiten zufriedenstellende Nachfolgelösung realisieren können. Dies gilt auch in derzeit schwierigen Branchen wie beispielsweise im Lebensmittel-Handwerk. Stimmen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind junge Handwerkerinnen und Handwerker – egal ob aus der Familie, aus der Belegschaft oder Externe – bereit, in die Verantwortung zu gehen. Es ist aber zu beobachten, wie eine Corona-Pandemie, die Energiekrise oder die Folgen der Inflation rasant Vorstellungen, Umstände und Pläne über den Haufen werfen können. Solche nicht vorhersehbaren Faktoren gilt es mit der Erfahrung der Übergeber und der Zuversicht der nachrückenden Generation abzufedern.

Wie sieht die ideale Nachfolgelösung aus?

Die Berater bei der Handwerkskammer Region Stuttgart erleben sehr häufig, dass sich Betriebsinhaber zu spät mit der Nachfolgeregelung befassen. Oft sind die Vorstellungen bezüglich des Unternehmenswerts und der daraus folgende Kaufpreis oder die Pachthöhe überhöht. Ist das Unternehmen ein wesentlicher Teil der Altersabsicherung des Übergebers, schränkt dies die Gestaltungsmöglichkeiten im Nachfolgeprozess deutlich ein. Liegt zudem noch ein Investitionsstau vor, wird es besonders schwierig. Der Übergeber darf auch nicht versäumen, sich rechtzeitig zurückzuziehen. Er muss Verantwortung übergeben, er muss loslassen können. Die Qualifikation des Nachfolgers muss zudem stimmen. Dies sowohl in fachlicher Weise als auch in den menschlichen Voraussetzungen wie Durchhaltevermögen, Führungskompetenzen sowie unternehmerischen Qualitäten. Die Meisterprüfung im Handwerk ist hierbei eine sehr solide Basis. Und nicht zuletzt braucht es Vertrauen und die Wertschätzung zwischen Übergebern und Übernehmern. Das alles muss stimmen, schließlich handelt es sich ja um das Lebenswerk auf der einen und um die Lebensziele auf der anderen Seite.

Expertenwissen unbedingt nutzen

Die Betriebswirtschaftlichen Berater der Handwerkskammer sind erfahrene Begleiter für Übergeber wie für Übernehmer. Sehr empfehlenswert ist auch ein Gespräch mit dem sogenannten Moderator für Unternehmensnachfolge bei der Handwerkskammer. Er berät in ausführlichen Erstgesprächen, analysiert die momentane Situation, fragt Vorstellungen ab, erarbeitet Lösungsansätze, plant die nächsten Schritte und vermittelt gegebenenfalls weitere Beratungstermine. Zum kostenfreien Service der Handwerkskammer gehört zudem die umfassende Beratung im gesamten Nachfolgeprozess. Hierfür ist ein Vor-Ort-Termin mit dem Spezialisten ratsam. Wichtig ist eine für beide Seiten neutrale Beratung zu bieten.

Weil Betriebsnachfolgen komplexe Konstrukte sind, gehen die Handwerkskammern das Thema derzeit intensiv an. Ziel des Projekts Nachfolgenetzwerk ist beispielsweise, potenzielle Übergeber und Übernehmer für das Thema Betriebsnachfolge zu sensibilisieren. „Wir wollen die nötige Aufmerksamkeit sowie die passenden Informations- und Beratungsangebote schaffen“, berichtet Peter Friedrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. Für ihn hat die Sensibilisierung und Beratung der Zielgruppen höchste Priorität. „Die hohen Teilnehmerzahlen bei Vorträgen zeigen immer wieder, wie relevant das Thema im Handwerk ist. Deshalb ist es wichtig, die Maßnahmen bei unseren Zielgruppen, aber auch weit darüber hinaus zu positionieren.“

Um die Zielgruppen wie Meisterschüler, Studenten, Studienabbrecher, Quereinsteiger, vor allem die Nutzer der Social-Media-Kanäle für eine Betriebsnachfolge im Handwerk zu sensibilisieren, entstanden bei der Handwerkskammer Region Stuttgart mehrere Best-Practice-Videos. So erzählt ein Akademiker von seinem Weg ins Handwerk, ebenso wird der Weg eines angestellten Jungmeisters vorgestellt, wie er einen global agierenden Handwerksbetrieb übernimmt. „Zur Palette der unterstützenden Maßnahmen ist weder die Betriebsbörse der Kammer wegzudenken noch die Web-Seminare oder Fachvorträge in Meisterkursen“, betont Kammerchef Friedrich.

Was ist bei einer Betriebsnachfolge unbedingt zu beachten?

9 Ratschläge zum Nachdenken

  • Der Übergeber muss das Unternehmen auf die Übergabe vorbereiten, Umfang, Zeitpunkt und Form der Übergabe planen, steuerliche Aspekte beachten.
  • Der potenzielle Übernehmer wird das Unternehmen, das er kaufen möchte intensiv prüfen und Chancen und Risiken abwägen. Er wird auch die Rechtsform unter die Lupe nehmen.
  • Wer sich auf die Suche nach einem Nachfolger begibt, erhält durch den Besuch von Online-Nachfolgebörsen erste Orientierung. Das Existenzgründungsportal des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) betreibt beispielsweise die Unternehmensnachfolgebörse nexxt-change (https://www.nexxt-change.org). Ziel dieser Börse ist, einen Kontakt zwischen Unternehmern und Nachfolgern herzustellen.
  • Ein plausibler Kaufpreis: Um den Kaufpreise beurteilen zu können, muss zunächst genau festgelegt werden, was im Rahmen der Betriebsnachfolge übergeben werden soll. In den meisten Fällen erfolgt die Finanzierung über die Hausbank oder eine der Förderbanken. Ist der Kaufpreis zu hoch wird eine solide Finanzierung scheitern, da der Kapitaldienst vom Nachfolger nicht getragen werden kann. Die Ermittlung eines angemessenen Kaufpreises ist damit von wesentlicher Bedeutung für den Erfolg der Nachfolgeregelung.
  • Eine sorgfältige Berechnung des Kapitalbedarfs durch den Nachfolger: Die finanzierende Bank muss wissen, wie viel Geld der Übernehmer benötigt, damit er den Betrieb fortführen kann. Der Kaufpreis ist in aller Regel nur ein Teil des gesamten Kapitalbedarfs. Ersatz- und Neuinvestitionen, Nebenkosten und auch sogenannte Betriebsmittel zur Vorfinanzierung von Aufträgen kommen dazu. Somit ist der gesamte Kapitalbedarf wesentlich höher als der Kaufpreis. Dabei können Förderdarlehen in Anspruch genommen werden.
  • Ein fundierter Geschäftsplan: Bei fast jeder Betriebsnachfolge stehen Veränderungen an. In Betrieben, die stark vom bisherigen Inhaber geprägt sind, ist eine Neuausrichtung in der Unternehmensführung notwendig. Meist ändert sich die Zielgruppe, ändert sich das Produkt- und Leistungsprogramm, werden organisatorische Veränderungen durchgeführt. Der Nachfolger muss erläutern, wie er künftig im Wettbewerb bestehen möchte. Dazu sind ein fundierter Geschäftsplan und ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell die Basis.
  • Planzahlen: Die geplanten Veränderungen wirken sich in Zahlen aus. Die Planung der Umsätze und Gewinne ist für die unmittelbar Beteiligten eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Vor allem der Nachfolger muss anhand der geplanten Gewinne beurteilen, ob die Übernahme für ihn lukrativ ist. Mit einem Liquiditätsplan muss er belegen, dass er auch in der Lage sein wird, Zins und Tilgung zu bezahlen.
  • Eindeutige Regelungen zur Nachfolge: Häufig werden bei einer Betriebsübernahme über die Vereinbarung des Kaufpreises hinaus zahlreiche weitere Vereinbarungen getroffen, beispielsweise über die Vermietung der Betriebsräume, die Übernahme des Firmennamens, die Weiterbeschäftigung des Betriebsinhabers, Garantien des Verkäufers, die Bezahlung des Kaufpreises, die Übernahme von Haftungsverpflichtungen, Weitergabe von Kundendaten. Auch diese Rahmenbedingungen müssen schriftlich vereinbart werden. Arbeitet der Übergeber beim Nachfolger noch eine Zeitlang mit, müssen auch dafür die Konditionen festgelegt werden. Für die Beurteilung des Vorhabens und für das spätere Miteinander ist es aber außerordentlich wichtig, von Anfang an Klarheit zu schaffen.
  • Ein schlüssiger Zeitplan: Ohne frühzeitige Beratung geht es nicht. Steuerberater, Rechtsanwälte und Unternehmensberater müssen auch bei Kleinbetrieben zusammenspielen, damit eine Lösung gefunden wird, die allen Seiten gerecht wird. Auch die Aufbereitung der Unterlagen und die notwendigen Recherchen erfordern meist viel mehr Zeit, als sich die Beteiligten gedacht hatten.

Infos:

www.hwk-stuttgart.de/betriebsuebergabe, www.hwk-stuttgart.de/betriebsboerse

www.hwk-stuttgart.de/nachfolgenetzwerk, www.hwk-stuttgart.de/veranstaltungen

Kostenfreie Info-Veranstaltungen „Rund um die Betriebsnachfolge“:

  1. März: Zehntscheuer, Maiergasse 8, 70771 Leinfelden-Echterdingen
  2. April: Kreissparkasse Waiblingen, Bahnhofstraße 13, 71332 Waiblingen
  3. Oktober: Volksbank Backnang, Schillerstraße 18, 71522 Backnang

Beginn immer 18:30 Uhr, Anmeldung: www.hwk-stuttgart.de/nachfolge2023-wn

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

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