Wir dachten, der Bankensektor hätte sich nach der Finanzkrise für immer verändert: eine geringere Verschuldung, besseres Risikomanagement, höhere Transparenz. Doch der Konkurs von Greensill Capital, das Archegos-Debakel und der Wirecard-Bilanzbetrug bringen die Probleme zurück. Es wäre jedoch unfair, nicht anzuerkennen, dass das Finanzsystem und insbesondere die Banken die Coronakrise dank der im letzten Jahrzehnt unternommenen Anstrengungen robust überstanden haben. Die Banken mussten innerhalb weniger Wochen eine Turbo-Migration in Richtung Digitalisierung vollziehen, um trotz Schließungen der Filialen ihre Kunden zu bedienen, was sie ziemlich erfolgreich geschafft haben.

Die Geschäftsmodelle der Banken werden an vielen Stellen angegriffen, von der Kundenbetreuung über die Kreditvergabe bis hin zu Vermögensverwaltung oder dem Zahlungsverkehr, beispielsweise strengere Regulierung, digitale Währungen, mobile Investment-Apps und vieles mehr. Wir denken aber, dass Finanzsysteme Banken brauchen, um gut zu funktionieren, und dass ihr Grundzweck, nämlich die Sicherung von Kundenvermögen, das Sammeln und der Schutz von Daten und Informationen und die Geldschöpfung durch Kreditvergabe, auch in Zukunft ihr alleiniges Vorrecht sein wird. In Europa sind die größten Hürden eigentlich nicht die Digitalisierung, sondern die unvollendete Bankenunion und der Wettbewerb zwischen verschiedenen Arten von Instituten.

Zwar sank gemäß unserer eigenen Analyse die Eigenkapitalrendite der Banken in der Eurozone im vierten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorkrisenniveau deutlich, die Kernkapitalquote aber, der Verschuldungsgrad und der Anteil notleidender Kredite an der Bilanzsumme verbesserten sich sogar. Die Ergebnisse des 4. Quartals 2020 und des 1. Quartals 2021 übertrafen die Erwartungen beim Gewinn vor Steuern deutlich, was vor allem auf geringere Kreditverluste und Rückstellungen zurückzuführen ist. Der Gewinn pro Aktie der Banken in Europa könnte in diesem Jahr um 30 % und 2022 um 20 % steigen. Wir nehmen an, dass die Gewinne der Banken 2023 wieder das Niveau von vor der Coronakrise erreichen könnten.

Die Digitalisierung wird oft als die ultimative Bedrohung für das traditionelle Bankgeschäft gesehen, d. h. in Bezug auf hohe Transformationskosten, Fintech-Konkurrenz und geringe Kundenbindung. Die Auswirkungen der Technologie sind gemischt: Sie hilft den Banken, einen besseren Service anzubieten, ermöglicht aber gleichzeitig mehr Wettbewerb und senkt die Eintrittsbarrieren für Fintech-Akteure. Banken müssen in neue Infrastrukturen – weniger Gebäude, mehr Netzwerke –, andere Fähigkeiten und Talente investieren und ihre Betriebsmodelle ändern. Es ist ein Irrglaube, dass das Management von Großbanken die veränderten Anforderungen verleugnet. In der Tat ist der Bankensektor der größte Nicht-Tech-Sektor in Bezug auf IT-Investitionen weltweit. Laut der Analysefirma Gartner werden die weltweiten IT-Ausgaben im Banken- und Wertpapierbereich in diesem Jahr 550 Mrd. $ erreichen. Im Durchschnitt sind 20 % der Betriebskosten von Banken IT-bezogen. Die Umsetzung der Transformationspläne ist eher das Problem.

Was die Zukunft bringt: Big Tech, Asien und ESG

Durch die Senkung der Eintrittsbarrieren bringt die Digitalisierung neue Marktteilnehmer hervor. „Banking as a Service“ eröffnete eine neue Ära der Innovation und ermöglichte es Fintechs, in einzelnen oder mehreren Bankdienstleistungen tätig zu werden. Die wirkliche Konkurrenz wird jedoch von größeren Organisationen kommen, wie z. B. Big Tech, wie Apple Pay, Google oder von digitalen Plattformen, wie Alibaba, Amazon oder Facebook. Sie profitieren von ihrer Größe, ihrer globalen Reichweite, ihren riesigen IT-Budgets und Innovationsfähigkeiten sowie ihrem direkten Zugang zu den Informationen und dem Verhalten der Kunden. Aber Banken stehen auch in ihrem Kerngeschäft in hartem Wettbewerb mit anderen Finanzinstituten, wie Vermögensverwaltern und Versicherungsunternehmen. Dazu kommen noch Schwellenländer-Champions, die zunehmend global agieren. Chinesische Banken vergeben immer mehr Kredite außerhalb Chinas und fördern den Renminbi als Transaktions- und Reservewährung.

Banken sind der wichtigste – wenn nicht sogar der einzige – Träger von ESG auf globaler Ebene. Die Verwendung des Geldes, die Auswirkungen von Investitionen auf den Klimawandel und soziale Ungleichheit sind von größter Bedeutung für Kunden, Aktionäre, Stakeholder und Regulierungsbehörden. Investmentbanken und Geschäftsbanken mit ihren Asset-Management-Armen sind die Hauptakteure auf dem Markt für grüne Anleihen. Die jüngsten Entscheidungen von Regulierungsbehörden und Zentralbanken, den Klimawandel in ihre Politik einzubeziehen, wirken als starke Unterstützungsmechanismen. ESG wird zu einem wichtigen Wettbewerbsvorteil, die nicht einfach durch neue Marktteilnehmer und Technologie allein in Frage gestellt werden können. Banken sind von Natur aus die „Gatekeeper“ für das „G“ von ESG, nicht nur für große Unternehmen, sondern vor allem für kleine regionale Unternehmen. Rechnungslegungsvorschriften und angemessene Entscheidungsprozesse werden von Banken bei der Kreditvergabe de facto gegengeprüft. Sie spielen auch eine Schlüsselrolle im „S“, da sie den Zugang zu Zahlungen, Finanzierungen und Ersparnissen für die breite Bevölkerung sicherstellen und als institutionelle Präsenz an vielen Orten fungieren, die sich an der Peripherie der Entscheidungszentren befinden. Die Bankenbranche ist also durchaus zukunftsfähig und als Investment im Blick zu behalten.

Quelleninformationen und weitere Informationen finden Sie im aktuellen Research Papier „Banks in the post-Covid-19 world“ und im Amundi Research Center.

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