Das konjunkturelle Klima Berlin-Brandenburgs ist zum Jahresbeginn 2023 weniger frostig als noch vor einigen Monaten befürchtet – auch, weil die Wintertemperaturen bisher überdurchschnittlich warm ausfallen und damit Gasmangellagen und Blackouts aus den Risikokalkulationen verschwunden sind. Dennoch ist der Konjunkturklimaindex* weit von einem milden Verlauf entfernt: 104 Punkte zählt der Indikator aktuell, zwölf Zähler weniger als vor einem Jahr. In wirtschaftlichen Boomphasen verlief die Zeitreihe knapp unter 140 Punkten. Die Geschäfte laufen wieder deutlich besser als im vergangenen Herbst, Hoffnungen auf einen bevorstehenden stabilen Aufschwung finden sich aber kaum.

Jan Eder, Hauptgeschäftsführer IHK Berlin: „Zum befürchteten Krisenwinter ist es nicht gekommen. Die Energiekosten sind auf einem noch immer hohen Niveau und verharren dort mittlerweile. Dies verdanken wir nicht zuletzt einem vergleichsweise milden Winter und den energetischen Anpassungsleistungen von Wirtschaft und Verbrauchern, neu erschlossenen Energielieferanten sowie staatlichen Kostenbremsen. Vorerst sehen wir allerdings nur eine Erholungs-, aber noch keine Aufschwungsperspektive für die Wirtschaft. Zu viele Risiken verstellen diese den Weg: Die Inflation verliert zwar an Tempo, aber die Kerninflation ist weiterhin hoch. Weitere Zinsschritte dürften folgen und konjunkturbremsend wirken. Die Lieferkettenprobleme vieler Unternehmen sind nur teilweise und unsicher gelöst, der Fachkräftemangel bleibt weiterhinein ein ungelöstes und das drängendste Problem. Die angespannte weltpolitische Lage lässt manches Unternehmen größere Investitionen vorerst zurückstellen. Unternehmerische Geschick sowie die notwendigen politischen und finanziellen Unterstützungen sind weiterhin Schlüsselfaktoren für die Zukunft. Wirtschaft und Politik müssen auch deswegen weiterhin gemeinsam an einem Strang ziehen.“

Dr. Wolfgang Krüger, Hauptgeschäftsführer IHK Cottbus: „Weniger skeptisch, aber weiterhin mit großer Unsicherheit blickt die Berlin-Brandenburger Wirtschaft auf die Geschäftsentwicklung der nächsten Monate. Dabei ist die Berliner Wirtschaft deutlich positiver gestimmt als die Brandenburger Wirtschaft. 23 Prozent der Unternehmen zeigen sich dort zuversichtlich – in Brandenburg sind es lediglich 12 Prozent. Am pessimistischsten sind die Aussichten des Baugewerbes, gefolgt vom Handel und von der Industrie. Kostendruck, geringere Investitionen und Auftragseingänge und die Zurückhaltung der Verbraucher dämpfen die Erwartungen. Das Dienstleistungsgewerbe bleibt stabil und rechnet mit einer moderaten Entwicklung. Im Gastgewerbe gibt es den größten Lichtblick, auch wenn die Branche nicht mit Wachstum rechnet. Wirtschaftsrisiko Nummer eins bleiben die Energie- und Rohstoffpreise, auch wenn sie in der Risikoskala etwas gefallen sind. Die Preisberuhigung auf dem Energiemarkt, gesicherte Gasfüllstände und Entlastungshilfen der Politik haben zu dieser Bewertung geführt. Der Fachkräftemangel liegt fast gleichauf an der Risikospitze, gefolgt von steigenden Arbeitskosten, wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sowie der Gefahr eines schwächelnden Inlandsabsatzes.“

Gundolf Schülke, Hauptgeschäftsführer der IHK Ostbrandenburg: „Zum Thema Beschäftigung ist festzuhalten, dass der Fachkräftemangel das bestimmende Thema für die Unternehmen in Berlin und Brandenburg bleibt.  Betriebe, die einstellen wollen, finden oft nur schwer geeignetes Personal. Und da sich die konjunkturelle Situation etwas gebessert hat, wollen vor allem in Berlin die Unternehmen wieder mehr einstellen. Auch in Brandenburg hat sich der Arbeitsmarkt stabilisiert, so dass – anders als noch im Herbst – mit keinem Beschäftigungsabbau zu rechnen ist. Einstellen wollen vor allem Dienstleister und Gastgewerbe. Problematisch ist hingegen die Situation im Baugewerbe. Hier rechnen die Betriebe der Region mit sinkenden Beschäftigenzahlen. Zugleich ist beim Bau der Fachkräftemangel besonders ausgeprägt, wodurch die Baubranche von zwei Seiten unter Druck steht.“

Mario Tobias, Hauptgeschäftsführer der IHK Potsdam: „Viele Probleme, mit denen die Unternehmen bereits im vergangenen Jahr zu kämpfen hatten, stehen leider auch zu Jahresbeginn 2023 weiter auf der Tagesordnung. Auch wenn die Lieferschwierigkeiten im Jahresvergleich etwas nachgelassen haben, geben branchenübergreifend weiterhin zwei von drei Unternehmen an, mindestens im geringen Umfang betroffen zu sein. Die Folge sind insbesondere längere Wartezeiten, ein gestiegener Planungsaufwand und Ertragseinbußen. Bei der Bewältigung der Energiekrise helfen offenbar auch die staatlichen Maßnahmen – ob dies ausreichend der Fall ist, das werden die kommenden Monate zeigen. Zudem engagieren sich viele Unternehmen durch eine Reduzierung ihres Verbrauchs sowie durch Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen. Leider werden jedoch diese Bemühungen noch zu oft durch die mangelnde Verfügbarkeit von Produkten und Dienstleistern sowie durch bürokratische Hürden ausgebremst.“

* Erläuterung zur Ermittlung des Konjunkturklimaindex = geometrische Mittel der Salden aus positiven und negativen Einschätzungen der aktuellen und der erwarteten Geschäftslage (neutral = 100).

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